Das Geheimnis des Edelsteinparks
Vor fast genau 100 Jahren, an einem wunderschönen Morgen, ging ein Geschwisterpaar in den Wald, um nach Früchten zu suchen. In der Nacht zuvor war ein schweres, stürmisches Gewitter über die Berge gebraust. Anna und Andreas - so hießen die beiden - waren Kinder einer armen Familie, die seit langem in Sankt Andreasberg lebte. Der Vater musste vom frühen Morgen bis zum späten Abend in der „Grube Samson“, dem Bergwerk arbeiten, die Mutter war vor zwei Jahren gestorben. Als die Kinder einen schmalen Pfad entlang gingen, hörten sie leise Hilferufe. Unter einer großen, umgestürzten Fichte lag ein sehr kleiner Mann in einer braunen Kutte. Die Äste hatten ihn so eingeklemmt, dass er nicht mehr frei kam. Sofort versuchten die beiden Kinder, den Baum zu bewegen, was ihnen natürlich nicht gelang. Was also tun? Gerade an diesem Tag waren alle Erwachsenen entweder auf dem Markt in einer anderen Stadt, oder sie mussten im Bergwerk arbeiten. Schnell liefen Anna und Andreas zurück in den Ort und riefen nach ihren Freunden. Bald waren es über 100 Kinder, die sie in den Wald führten und gemeinsam gelang es ihnen tatsächlich, den Baum anzuheben und den sehr kleinen Mann zu befreien. Der bedankte sich herzlich bei allen und sprach:
„Ich bin Ovalrich, der Fürst aller Zwerge im Harz. Weil ich weiß, dass die meisten von euch arm sind, möchte ich den Kindern aus Sankt Andreasberg helfen, so wie ihr mir geholfen habt. Daher werde ich hier, in diesem Wald, viele, viele Edelsteine verteilen. Noch sind diese unsichtbar, aber wenn ihr in genau einer Woche kommt, werdet ihr sie sehen. Sammelt dann soviel Steine auf, wie ihr finden und tragen könnt, damit eure Armut ein Ende hat. Aber seid vorsichtig und sprecht mit keinem Erwachsenen darüber.“ Nach diesen Worten verschwand Ovalrich.
Nun war eines der Kinder der Sohn eines reichen Händlers, der für seinen Geiz und seine Gier bekannt war. Gegen die Weisung des Fürsten aller Zwerge, erzählte der Sohn seinem Vater die Geschichte. Wenige Tage später behauptete der, er müsse dort gefährliche Baumfällarbeiten vornehmen lassen, und das gesamte Waldstück wurde von seinen bezahlten Bütteln gesperrt. Als die Kinder am angegebenen Tag in den Wald gehen wollten, wurden sie von den Wächtern verjagt und mussten traurig umkehren. Der gierige Händler ließ von seinen Helfern jeden Edelstein einsammeln und in eine große Kiste legen. Es dauerte bis zum Abend, dann war das letzte Stück gefunden. Die Kiste aber versteckte der Händler im Keller seines Hauses.
Als der Zwergenfürst Ovalrich davon erfuhr, wurde er furchtbar zornig. Seinen Zwergen gab er den Auftrag, einen Gang zum Keller des Händlers zu graben und die Kiste mit allen Edelsteinen zu holen. Danach besuchte er Anna und Andreas in ihrem Haus. Er schenkte ihnen je einen besonders schönen Edelstein und riet ihnen, mit ihrem Vater den Ort zu verlassen, um woanders ein besseres Leben zu führen. Sankt Andreasberg aber bestrafte er, indem er alle Silbererze aus den Bergen der Stadt entfernte. Schon bald, am 31. März 1910 wurde die "Grube Samson" geschlossen, womit viele Menschen ihre Arbeit verloren, denn es war das letzte ertragreiche Bergwerk im Ort. Die Kiste mit den Edelsteinen jedoch versteckte Ovalrich in einer kleinen Höhle, die er für hundert Jahre magisch verschloss.
Anna und Andreas zogen mit ihrem Vater weit fort, wo sie glücklich lebten und später selbst Kinder hatten. Diese Kinder bekamen selbst wieder Kinder, und so geschah es, dass ein Enkel von Anna wieder in Andreasberg heimisch wurde, weil er es hier so schön fand. Der Enkel lebt heute noch hier. Nennen wir ihn Walter, obwohl er nicht wirklich so heißt. Walter wandert gerne durch die Wiesen und Wälder und genießt die herrliche Natur.
Vor einigen Tagen, bei einer Wanderung, stand plötzlich ein kleiner Mann mit Bart und einer merkwürdigen Tracht vor ihm auf dem Weg und sprach ihn an: "Walter, du wirst mir jetzt folgen und meine Anweisungen genau ausführen." Sie kamen zu einer kleinen Höhle, in der sich Edel- und Schmucksteine häuften. Walter durfte so viel einpacken, wie er tragen konnte. GIücklicherweise hatte er einen großen, fast leeren Rucksack bei sich. Den packte er so voll mit Steinen, dass er ihn kaum noch heben konnte und er schleppte ihn nach Hause. Aber auf Anweisung des kleinen Mannes soll er die Steine in einem bestimmten Wald und an einem bestimmten Tag verstreuen, damit Kinder sie finden können. Das geschieht am Samstag, den 16. Juli 2023, und wo der Wald ist, das erfahrt ihr, wenn ihr an diesem Tag um 13:45 Uhr "Am Sportplatz" in Sankt Andreasberg wartet. Um 14:00 Uhr geht es dann los.